Die Schweiz – noch immer «Innovations-Champion»?

«Innovations-Champion Schweiz». Mit derartigen Schlagzeilen warten die Medien gern auf, wenn die EU die neuesten Innovationszahlen veröffentlicht. Dieses Bild bedarf jedoch einer differenzierteren Betrachtung. Tatsächlich ist der Anteil an innovierenden Unternehmen in der Schweiz seit einigen Jahren rückläufig. Im Rahmen einer Umfrage erhebt die KOF die Innovationsleistung der Schweizer Firmen in regelmässigen Abständen im Auftrag des Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).

Roboter ETH Zürich
Foto: Giulia Marthaler

Anteil der Unternehmen mit F&E sinkt

Hinsichtlich Forschung und Entwicklung (F&E) zeigt sich in der Schweiz ein etwas anderes Bild als das eines Innovations-Champions. Seit Beginn der 2000er Jahre hat die Schweiz beim Indikator «Anteil der Firmen mit Aktivitäten in F&E» nie dem europäischen Spitzenfeld angehört (siehe G 3). In den Jahren zwischen 2010 und 2012 hat sich die Lage zudem deutlich verschlechtert, da sowohl der Anteil von Unternehmen mit internen als auch mit externen F&E-Aktivitäten stark rückläufig war. Während die Innovationstätigkeit in der Schweiz geringer geworden ist, hat sich darüber hinaus die Lage in den Vergleichsländern deutlich verbessert.

Bestehende F&E-Aktivitäten jedoch intensiviert

Eine weitere interessante Beobachtung der Studie ist, dass die Unternehmen, welche weiterhin F&E-Aktivitäten verfolgen, diese intensiviert haben (siehe G 4). Da diese Intensität in den Vergleichsländern im selben Zeitraum meist leicht rückläufig war, nimmt die Schweiz bei diesem Indikator einen Spitzenplatz ein. Wenn man die Patente und innovativen Produkte betrachtet, liegt die Schweiz hingegen vorn. Gleiches gilt für den Umsatzanteil dieser Produkte, welcher die Innovationsperformance misst.

Hohe Kosten bremsen Innovation

Ein möglicher Grund für den Rückgang der Innovationstätigkeit ist, dass die Innovationskosten über die Zeit zugenommen haben. Dies wird deutlich, wenn man die F&E-Ausgaben und den Umsatz innovativer Produkte vergleicht. Die hohen Kosten der Innovationserstellung scheinen die Innovationsperformance bis vor der Krise im Jahr 2008 gebremst zu haben; hohe Kosten bleiben auch nach 2008 der wichtigste Hinderungsgrund für Innovationen. Dies könnte sowohl die Abnahme des Anteils der innovierenden Unternehmen bis 2005 als auch die Stagnierung des Umsatzanteils der innovativen Produkte Letzterer erklären. Die Bedeutung hoher Innovationskosten könnte sich im jetzigen wirtschaftlichen Umfeld mit dem starken Franken nochmals akzentuieren.
 
Aus wirtschaftspolitischer Sicht muss deshalb nicht nur die Entwicklung der Innovationsaktivitäten der Unternehmen, sondern insbesondere auch die Entwicklung der wesentlichen Innovationshemmnisse, genau verfolgt werden.

Drohender Know-how-Verlust

Wenn die Schweiz auch in Zukunft ein führendes Innovationsland bleiben soll, müssen die Rahmenbedingungen auch weiterhin verbessert werden. Steuerliche Abzüge der F&E-Ausgaben, wie sie im vorliegenden Vorschlag für die Unternehmenssteuerreform III vorgesehen sind, könnten einen Anreiz für zusätzliche Innovationsinvestitionen darstellen. Das Fehlen von Eigenmitteln ist insbesondere für viele kleine Unternehmen eine wesentliche Hürde bei Innovationsaktivitäten. Infolge der Krise im Jahr 2008 haben diese jedoch gerade bei Letzteren abgenommen.
 
Folglich könnte sich das konjunkturelle zu einem strukturellen Hemmnis wandeln, insbesondere wenn mangelnde F&E-Investitionen mit einem Know-how-Verlust einhergehen.

Auch wenn der Mangel an Fachkräften noch kein wichtiges Investitionshindernis zu sein scheint, könnte sich dies bei einer Veränderung der politischen Rahmenbedingungen rasch ändern. Einerseits sollte der freie Personenverkehr nicht aus kurzfristigen Erwägungen heraus eingeschränkt werden. Andererseits sollte die Schweiz in erster Linie im Inland dafür sorgen, ihre Humankapitalbasis zu erweitern, da diese ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil unseres Landes ist. In diesem Sinne erscheint es vernünftig, den Investitionen in Bildung und Forschung eine hohe Priorität einzuräumen.

Eine ausführliche Version dieses Beitrag ist in «Die Volkswirtschaft» erschienen.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Martin Wörter
Dozent am Departement Management, Technologie und Ökonomie
  • LEE F 111
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KOF Konjunkturforschungsstelle
Leonhardstrasse 21
8092 Zürich
Schweiz

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